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DAS SCHWARZE GOLD - Deutschland

Im Bus zu leben ist immer mal wieder wie Kurzurlaub vom Alltag. So wie an einem kühlen Donnerstagvormittag als wir das Deutsche Erdölmuseum entdecken und kurz entschlossen vorbei schauten, um mehr über den Wild Westen im Osten zu lernen. 

Das schwarze Zeug muss vom Teufel kommen! Immer wenn die Wietzener Bauern im 17. Jahrhundert irgendwo die komische schwarze Flüssigkeit in ihren Feldern fanden, schütteten sie das Loch sofort wieder zu. Mit dem Teufel wollten sie keine Geschäfte machen. Eines Spätsommers passierte dann aber das Unglück: Alle ihre Schweine suhlten sich in der schwarzen, fettigen Masse und unter den Dorfbewohnern brach Panik aus: Jetzt werden alle Schweine sterben und wir werden den Winter über nicht genügend Nahrung haben, waren die Menschen damals überzeugt. Aber der Winter kam und die Schweine blieben. „Zum Glück gab es einen Bauern, der damals, 1652, alles aufschrieb. Er hat sogar an den Königshof in Hannover ein Schreiben geschickt und das schwarzen Fett, welches sie kaum mehr von ihren Händen putzen konnten, beschrieben. Zurück kam nichts, weil wohl nicht einmal der König wusste, was mit der Information anzufangen war,“ erzählt Mike im Garten des Deutschen Erdölmuseum umrundet von verschiedenen Erdölpumpen, während wir auf dem stehen was einmal Erdöl war.

 

Silbrig schimmert der Boden, hie und da wächst Moos darüber, weich fühlt es sich unter den Schuhsohlen an. Auch die Entstehung dieses Bodens hatte uns Mike, ein kleiner, gut genährter Mann mit wachen Augen bereits erklärt. Wenn Erdöl bei der Gewinnung auf den Boden tropft und somit dem Sauerstoff ausgesetzt ist, sorgen Bakterien, die im Öl lagern, dafür, dass das Öl schnell eintrocknet und nach drei Wochen zu eine Art Gummimatte wird, die sich einfach vom Boden lösen lassen würde.

Später zeigt er uns das anschaulich bei einem Öl-Loch im Garten. Am kniehohen Eisenzaun, der das Loch umgibt, haben Besucher schwarzen klebrigen Masse hingeschmiert. „Da war ich einmal nicht da und schon passiert so was!“ Anstatt sich richtig zu ärgern, nutzt der redegewandte Mike den Fehltritt vorheriger Museumsbesucher für Anschauungszwecke. „Seht ihr hier, wie es bereits eintrocknet ist? Das ist vor knapp drei Wochen passiert“ Ich drücke meinen Finger hinein, es fühlt sich an wie Knete. „Hier, dies ist schon länger her, da ist es bereits hart.“ Er fährt mit den Fingerkuppen über die trockene Stelle. Dann greift er zum Holzstock, der im Erdloch steckt, hebt und senkt ihn ein paar Mal kräftig, bevor er ihn hoch zieht und uns die glänzenden, dickflüssigen Rückstände, die am Stock kleben, vor die Nase hält. Ein paar schwarzgetünchte Eichenblätter hängen daran fest. „Riecht ruhig daran, es ist nicht giftig!“

 

 Erdöl – nicht giftig? „Es wurde festgestellt, dass das Erdöl von hier nicht toxisch ist. Schaut es wächst doch hier überall Gras und Moos.“ Um das Erdölloch wächst tatsächlich Gras, die Bäume auf dem Museumsgelände sehen gesund aus, obwohl zu ihren Füssen Erdöl aus dem Boden drückt. „Überall hier in der Gegend gibt es noch Teiche und Tümpel, wo das Öl nachdem es viel geregnet hat, von selbst an die Oberfläche drückt. Mitten in der Natur.“ Noch anschaulicher wird es, als Mike weitererzählt. „Die Wildschweine suhlen sich, wie damals die Schweine der Wietzener Bauern, gerne im Öl. Das Öl verklebt sich in ihren Borsten und tötet alle die Milben und Zecken und was sich sonst noch darin tummelt ab. Ein paar Wochen später, scheuern die Tiere die eingetrocknete Schicht samt Parasiten an den Bäumen ab." 

„Wirklich!“ bestätigt Mike seine Geschichte, als er unsere erstaunten Gesichter sieht. „Die lieben das Zeugs, ich sag’s Euch. Die Jäger hier in der Gegend schmieren sogar Erdöl an eine bestimmte Stelle, um die Wildschweine anzulocken. Die kommen immer und dann – päng!“ 

 

Zurück ins 17. Jahrhundert. Als die Wietzener Bauern sahen, dass ihre Schweine nach dem Bad im Teer-Schlamm nicht starben, sondern noch fast besser aussahen als zuvor, wagten sie sich an weitere Experimente. Zumindest einer unter ihnen: Der schreibende Bauer hatte ein altes, schon fast totes Pferd. Er unterzog es einem Experiment und schmierte dem geschundenen Arbeitstier das Erdöl in die auf dem Rücken offenen Wunden. Zu seinem Erstaunen verheilten die eitrigen Wunden innerhalb weniger Tage. „Das Pferd starb trotzdem.“ Die Stimme unseres Museumführers klingt wie die eines Komikers, theatralisch verwirft er die Hände und erzählt weiter: „Aber die Wunden hatten sich geschlossen, also musste da doch was dran sein. Nach und nach probierten die Menschen hier weitere Dinge aus.“

Der Satansspecke wurde irgendwann, mit positiver Wirkung,  auch an menschlichen Wunde ausprobiert. Und was von aussen gegen Parasiten hilft, muss doch auch von innen helfen, dachten sie. Also fingen die Wietzener an das Zeugst, von dem sie immer noch nicht wussten was es war, mit Honig vermischt zu trinken.“ Eine gar nicht so blöde Idee. Erdöl half auch gegen Würmer und die findigen Wietzener fingen an die Arznei zu verkaufen. Tatsächlich profitiert die Pharmaindustrie noch heute von Inhaltsstoffen des Erdöls, um Medikamente herzustellen. Andere Quellen belegen, dass zu jener Zeit in Ost und West ähnlich experimentiert wurde. Die Indianer verwendeten das im amerikanischen Oil Creek gefunden Erdöl, genauso um Wunden zu heilen, wie chinesische Mediziner. 

 

„Die Amerikaner sind gut darin laut zu sein. Anzugeben. Also ich gehe nie mehr nach Amerika, obwohl mein Bruder dort lebt. Es hat mir dort überhaupt nicht gefallen,“ erzählt Mike jetzt. Mittlerweile sind wir sicher schon über eine Stunde mit dem jungen Mann unterwegs, obwohl die Aussenanlage des Museums gar nicht so gross ist. „Ich habe mich am Strand umgezogen und musste gleich 70 Dollar Strafe bezahlen, wegen Erregung öffentlicher Ärgernisse. Am Strand! Die sind doch nicht normal!“ Wir kamen auf Amerika zu sprechen, weil die USA die weltweit erste Ölbohrung, 1859 in Pennsylvania, für sich reklamiert. Dabei wurde hier im Deutschen Wietze, am südlichen Ausläufer der Lüneburger Heide, bereits vier Jahre zuvor die erste Erdölbohrung durchgeführt. Gesucht wurde damals allerdings nach Braunkohle, aber aus dem 35,6 Meter tiefen Erdloch sprühte stattdessen das schwarze Gold. Nun, es liegt wohl nicht nur daran, dass die Amerikaner besonders gut darin sind über sich selbst zu schwärmen, sondern auch an der Tatsache, dass der Erdölfund im damaligen Königreich Hannover niemanden gross interessierte. Es dauerte 44 weitere Jahre und die Industrierevolution, bis der Ölrausch auch in Wietze ausbrach.

 

Zuerst wurde der Ölsand unterirdisch abgebaut, erzählt uns Mike, wir stehen mittlerweile im nachgebauten Stollen, die Kälte des Frühlings 2019 ist jetzt in jeden Knochen gekrochen. So ungefähr müssen sich die Ölkumpel täglich gefühlt haben. Gicht war eine der meist verbreiteten Krankheiten hier. Andere starben an austretenden Gasen. „Weil das Öl auch von der Decke tropfte, konnten sie keinen Vogel hinhängen, der hätte bereits wegen dem Öl nicht mehr gesungen,“ erzählt Mike und grinst als er nachschiebt: „Also, der wäre ja vor lauter Öl einfach immer gestanden,“ dann wird er wieder ernst, als er erzählt wie die Arbeiter nach jeder Schicht mit vier Liter Benzin duschten, um die klebrige Masse vom Körper zu bekommen. Das machte ihre Haut so kaputt, dass die mit der Zeit einfach aufplatze. „Viele starben an aufgesprungenen Schlagandern.“ 

 

Die Arbeit auf den Ölfeldern wuchs so rasant, dass Gastarbeiter nach Wietze kamen. Sie brachten Goldgräberstimmung mit. „1905 gab es hier zu viel Alkohol und zu viele Männer.“ Vergewaltigungen und Waffengewalt waren normal.“ Die Situation besserte sich erst fünf Jahre später, als die Erdölfirmen anfingen Häuser für die Mitarbeiter zu bauen, so das ganze Familien nach Wietze zogen. „Hier lebten vor dem Ölboom bloss 160 Menschen und es gab nur noch zwei Familiennamen, es war also höchste Zeit kam frisches Blut. Das wäre sonst nicht gut gekommen.“ 

Mike nimmt kein Blatt vor den Mund seit er uns vor anderthalb Stunden im Museum angesprochen und vorgeschlagen hat uns etwas zu den Ausstellungsstücken draussen zu erzählen. Als wir ihn nach seiner Funktion beim Museum fragen, ist er wohl gleichermassen erstaunt über die Frage, wie wir über die Antwort: „Ich bin nur das Sicherheitspersonal. Ich muss schauen, dass hier draussen nichts geklaut wird, die Leute nicht auf die Bohrtürme klettern und dergleichen. An Tagen wie heute, wenn ich nichts zu tun habe, nehme ich mir gerne die Zeit den Besuchern mehr zu erzählen.“  Jetzt wo wir es wissen, machen es die schwarzen Kleider und die leicht bullige Statur offensichtlich. Ansonsten bricht er jeglichen Stereotyp. Noch nie haben wir einen Security-Mann getroffen, der informativer ist als das Museum und die Leidenschaft für seinen Arbeitsort auf der Zunge trägt. Danke Mike! 

 

Wer gerne selbst vorbei gehen möchte, findet hier mehr Infos: 

http://www.erdoelmuseum.de

Grüsst uns Mike, falls ihr vorbei schaut. :) 

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