Auf der Suche nach einer schnellen Internetverbindung, finden wir in Spanien die Menschlichkeit. Und andere spannende Beobachtungen.
Der alte Mann streckt seine Hand aus und die junge Frau hinter der Theke gibt ihm das Messer. Ein wortloser Dialog. Sie arbeitet als Barista in einem kleinen Café, er scheint jeden Tag hier zu sein. Der Barhocker neben der Türe hat er vorübergehend zu seinem Zuhause gemacht. Er hat eine schmutzige Stofftüte daraufgestellt. Zieht daraus ein Brot, ein Glas Essiggurken heraus. Die Theke des kleinen Imbisses ist vielleicht zwei Meter lang. Er hat auf einem Meter seine Brotkrümel verstreut. Überall Brot, Wurst, Tomaten, Gurken. Die Frau hinter der Theke verzieht keine Miene. Im Gegenteil, sie stellt ihm ein Café hin, ohne dafür Geld einzukassieren. Er lässt alles liegen, läuft raus und wieder rein. Quetsch sich hinter meinem Stuhl durch, entschuldigt sich, als ich wegrutsche, um ihm Platz zu machen. Beisst wieder in sein Brot, erzählt imaginären Menschen seine Geschichten. Ich möchte sie hören, nerve mich meinen Spanischkurs vernachlässigt zu haben und wende mich stattdessen wieder meinem Bildschirm und der Arbeit zu.
Menschlichkeit teilen
Wir sind in Castellon, keine 50km nördlich von Valencia. In einem Shoppingcenter haben wir endlich ein WIFI gefunden, welches stark genug ist, um unsere Online-Arbeiten zu erledigen. Meistens sind Fastfood Buden die einfachste Adresse, um ungestört und ohne viel konsumieren zu müssen, eine anständige Internetverbindung zu haben. In Castellon ging weder bei McDonalds noch bei Burger King etwas. Und so fanden wir per Zufall dieses Café im Shoppingcenter, mit dem bärtigen Mann und der wortlose Barista, die sich einen Vormittag und ein Stück Menschlichkeit teilen.
Einblicke in das Leben der Anderen
Das liebe Internet, es macht es uns möglich standortunabhängig zu arbeiten. Es verbindet uns mit unseren Familien und Freunden Zuhause und in der Welt. So vieles wird einfacher mit ihm. Wenn man es dann mal hat. Für uns Nomaden ist es nicht selbstverständlich immer online zu sein. Meist funktioniert es ganz gut über den Hotspot des Smartphones eine Verbindung aufzubauen. Im Ausland sind aber die Datenmengen begrenzt und so macht es Sinn, ab und an nach einer besseren und günstigeren Leitung zu suchen. Und auch, um mit den Menschen hier in Kontakt zu kommen. Einen Einblick in ihren Alltag zu erhaschen.
Taten anstatt Daten
Ein paar Tage zuvor, in einer anderen Stadt, in einer anderen Imbissbude. Ein Pakistani steht hinter der Theke. Es dauert nicht lang, da kommt ein angetrunkener Mann hineingewankt. Hassan spricht freundlich mit ihm, fragt wie es ihm geht und dann, soweit reicht mein Spanischkurs, ob er ihm eine grosse Flasche Wasser kaufen gehen kann. „Eine grosse, klar?“ Der Mann nickt und Hassan drückt ihm Geld in die Hand. 10 Minuten später, Dylans Download ist immer noch nicht weiter, kommt der Betrunkene zurück und stellt mit einem Knall und einem Lachen den 8 Liter Kanister auf einen Tisch, gibt ohne zu fragen das restliche Geld an Hassan zurück. Der packt ihm, ebenfalls ohne zu fragen, Falafel im Fladenbrot in eine Tüte. Nachdem der Betrunkene uns beim hinein- und hinausgehen zweimal freundlich gegrüsst hat, kommt er nun mit der Hand auf dem Herzen und einem bübischen Schalk in den Augen auf mich zu.
„Ich heisse Mohammed und komme aus Marokko. Wie heisst du?“
Ich fühle mich wie im Spanischkurs.
„Ich heisse Martina und komme aus der Schweiz.“
„Sie sprechen Englisch! Komm, lass sie,“ ruft Hassan dazwischen.
Der Mann spricht weiter freundlich auf uns ein.
„Sprichst du Französisch?“ versuche ich das Gespräch einfacher zu machen. Er schüttelt den Kopf. „No français. Arabian only.“
„Mohammed! Jetzt kommt schon.“ Hassan wieder. Nett, aber bestimmt.
Er nimmt meine Hand und drück seine Lippen darauf, murmelt etwas Unverständliches, dann geht Mohammed schulterzuckend zurück zu Hassan, nimmt seine Tüte mit dem Falafel, bedankt sich und geht. Nicht ohne sich vorher in der Eleganz eines Betrunkenen noch einmal bei uns vorzustellen. Hassan schaut ihm hinterher, wie einem kleinen Bruder, auf den es aufzupassen gilt.
„Er kommt jeden Tag,“ sagt er und putzt mit einem Lumpen den Nachbarstisch. „Er ist ein guter Mann.“
Die Menschlichkeit, manchmal braucht sie keine Worte. Sondern Taten. Also eigentlich fast immer.